Die Herkunft

Die Churer Bürgerfamilie Köhl war ursprünglich bekannt als die Edlen von Rogister und stammte aus dem Fürstentum Jülich, gelegen westlich von Köln, nahe der heutigen Grenze zu den Niederlanden und Belgien.

Der Stammesvater, Arnold de Rogister, stammte aus Malmedy, welches zum Fürststift Stablo-Malmedy, einem geistlichen Territorium des Heiligen Römischen Reiches, gehörte. Dieses Fürstentum wurde von den Fürstäbten des Doppelklosters Stablo (Stavelot) und Malmedy regiert. Das Fürststift war weitgehend unabhängig, unterstand jedoch formal dem Kaiser des Heiligen Römischen Reiches. Obwohl Malmedy selbst im 16. Jahrhundert katholisch geprägt war, war die Region politisch und kirchlich eine Besonderheit, da sie nicht zu einem weltlichen Fürstentum wie Jülich oder Luxemburg gehörte, sondern ein kirchlicher Kleinstaat war. [1]

Seine Ehefrau und Stammesmutter, Gertraud van Külchen, stammte aus Grevenbroich, einer kleinen Ortschaft im Fürstentum Jülich.

Arnold de Rogister war ein adliger Edelmann, Handwerker und Amtmann1 am fürstlich-jülich'schen Hofgericht[2] in Jülich, der Hauptstadt des Herzogtums Jülich. Dieses Gericht war eines der höchsten Gerichte im Herzogtum und spielte eine zentrale Rolle in der Verwaltung und Rechtsprechung des Territoriums[3]. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Familie de Rogister-van Külchen in Jülich lebte. Arnold und Gertraud waren die Eltern von Julius und Johannes de Rogister. [4]

Jülich zur Mitte des 16ten Jahrhunderts

Zu dieser Zeit war das Fürstentum Jülich Teil des Heiligen Römischen Reiches und stark katholisch geprägt. In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts führten religiöse Konflikte innerhalb des Reiches zu zahlreichen regionalen Kriegen, darunter der Schmalkaldischer Krieg (1547– 1548) und der Zweite Markgrafenkrieg (1552–1554). Im Oktober 1542 besetzen kaiserliche Truppen Jülich, plündern das Schloss und die Adelssitze. Zudem wurde am 26. und 27. Mai fast die gesamte Stadt Jülich durch eine verheerende Feuersbrunst zerstört.[5]

Der Konflikt zwischen katholischen und reformierten Einwohnern schwelte in Jülich schon länger und eskalierte 1575 - alle protestantischen Einwohner der Stadt Jülich wurden ausgewiesen.[6]

Die Flucht

Gemäss den Recherchen des Historikers und Genealogen Anton Hercules Sprecher von Bernegg wurden die Brüder Julius und Johannes de Rogister ihrer Religion (protestantischer Glaube) wegen vertrieben[6]. Es ist wahrscheinlich, dass ihre Eltern katholisch waren, da der Protestantismus für einen Angestellten des Hofgerichts unangebracht war. Daher lässt sich vermuten, dass die Brüder sich in jungen Jahren der protestantischen Bewegung angeschlossen hatten, was vermutlich Spannungen innerhalb der Familie und der Gemeinde verursachte. Der verheerende Stadtbrand von 1547 dürfte zusätzlich die wirtschaftliche Grundlage der Familie erheblich geschwächt haben.

Offen bleibt jedoch, warum die Brüder nach ihrer Flucht in Chur den Nachnamen ihrer Mutter annahmen und sich selbst als verfolgt betrachteten. Legten sie den Familiennamen ab, um sich bewusst von ihrem Vater und der Familie zu distanzieren? Oder gab es andere Gründe, etwa eine Flucht vor strafrechtlichen Konsequenzen? Eine Vertreibung aus dem Fürstentum Jülich bedeutete nicht zwangsläufig eine Verfolgung. War es tatsächlich eine Vertreibung, oder handelte es sich um eine Flucht, möglicherweise im Zusammenhang mit ihrem protestantischen Glauben?

Sicher ist, dass sie ihre Familie zurückliessen und ihre Heimat nicht freiwillig verliessen. Sie suchten Zuflucht in Chur, einer weit entfernten Stadt mit einer starken protestantischen Gemeinde, vermutlich um sich dem Zugriff katholischer Autoritäten zu entziehen. Ihre Flucht ereignete sich noch vor den grossen religiösen Eskalationen im Jahr 1575, was darauf hindeutet, dass persönliche, religiöse und möglicherweise rechtliche Konflikte sie bereits früh zu diesem drastischen Schritt zwangen. Daher ist die folgende These wahrscheinlich:

"Die Brüder Julius und Johannes de Rogister verliessen ihre Heimat aufgrund eines Zusammenspiels aus religiöser Verfolgung, familiären Konflikten und wirtschaftlicher Not und nahmen nach ihrer Flucht einen neuen Nachnamen an, um sich sowohl von ihrem katholischen Elternhaus als auch von ihrer Vergangenheit im Fürstentum Jülich zu distanzieren."

Da sie befürchteten verfolgt zu werden, dürfte ihre 700 km lange Reise, entlang des Rheins quer durch Deutschland, ohne längere Zwischenhalte erfolgt sein. Darum dürfte ihre Flucht im selben Jahr wie ihre Ankunft in Chur stattgefunden haben, also um 1550.

Ankunft in Chur

Um 1554 verliessen also die beiden Brüder ihren Heimatort und liessen sich kurz nach ihrer Flucht in Chur nieder.

Chur hatte sich ab 1523 der Reformation angeschlossen und war daher für die protestantischen Gebrüder ein geeigneter Zufluchtsort. Chur war zu dieser Zeit die Hauptstadt des «Freistaat Gemeiner Drei Bünde», einer Art Bundesstaat, welcher mit dem allgemeinen Bundesvertrag von 1524 gegründet worden war (Dieser Freistaat wurde erst 1803 aufgelöst).

Die beiden Brüder gehen geteilte Wege

Der Ältere der Beiden, Julius, blieb in Chur, wo er sich Anno 1561[8] als Bürger einkaufte. Der Jüngere, Johannes, zog weiter nach Bergün wo er sesshaft wurde, heiratete und sich ebenfalls einbürgern liess.[7]


Impressum und rechtliche Hinweise

1550-Holzschnitt-Cosmographia.jpg

Der Bischof residierte auf dem Hof und überblickte die Stadt, die er bis 1464/65 weitgehend beherrscht hatte. Holzschnitt aus der „Cosmographia“ von Sebastian Münster, 1550 (Rätisches Museum)


Quellen:

1: Halkin, Joseph, Roland, C.-G.: Recueil des chartes de l’Abbaye de Stavelot-Malmedy, 2 Teile, Brüssel 1909-1930.

2: Sammlung Rätischer Geschlechter, Sprecher von Bernegg, Anton Hercules, 1847

3: Gutbier: Rechtsgeschichte der Grafschaft Berg, 1995.

4: Einbürgerungsbuch der Stadt Chur, Rathaus Chur, 1540, StadtAC, ABIII P31.001

5: Wikipedia, Geschichte der Stadt Jülich, 2019.

6: Genwiki, Jülich, Geschichte.

7: Sprecher von Bernegg: Sammlung, 1847, S. 83.

8: StAGR, A I/02a Nr. 147: Wappenbrief Bernhard Köhl, 1684. «von dero uhrvatter anno 1561 bürger der statt Chur Julius Köhl, Edler von Rogister».